Albert - warum? 

1978

  

Filmliste Jösef Rödl

   

 

Regie und Drehbuch: Josef Rödl

Produktion: Hochschule für Fernsehen und Film München

Kamera: Karlheinz Gschwind

FSK: ab 6 Jahre

Länge: 105 Minuten

Sonstiges: Urauff. 28.10.78 bei den Hofer Filmtagen, HFF Abschlussfilm

Filmbeschreibung: Filmportal

Genre: Behinderte, Außenseiter

   

 

 

Darsteller ... spielt wen

Fritz Binner ... Albert

Michael Eichenseer ... Alberts Vater

Georg Schießl ... Hans

Elfriede Bleisteiner ... Eva

   

 

 

Inhalt  

     

Nach einem längeren Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt wird Albert, der geistig zurückgebliebene, einzige Sohn eines Oberpfälzer Bauern, von seinem alten Vater "nach Hause" geholt. Doch für Albert existiert dieses Zuhause nicht mehr. Der Vater hat den Hof dem Neffen Hans überschrieben. Albert fühlt sich in der Familie nur noch geduldet, auch die Dorfgemeinschaft lehnt ihn, den Außenseiter, ab. Die "akzeptiert" ihn höchstens als Arbeitstier und als Objekt der grausamen Spottlust. Albert siedelt vom neuen Hof in den verfallenen Altbau um und führt sein eigenes Leben, versponnen in eine eigene Welt. Als Hans krank wird und ins Krankenhaus kommt, bittet ihn die junge Bäuerin um Hilfe, und der "Narr" zeigt, dass er als Bauer durchaus seinen Mann stehen kann: "Du machst die Arbeit so gut wie Hans", wird er gelobt.

Doch kaum ist Hans zurück, ist er wieder nur der Narr und Tölpel, dessen man sich schämen muss. Immer tiefer gerät Albert in die Einsamkeit, flüchtet vor seiner Umwelt in den Alkohol. Auch seine Versuche, außerhalb der Familie Zuneigung zu finden, enden in Demütigungen und Erniedrigungen. Im Dorfgasthof und in der Diskothek beleidigt man ihn, wirft ihn hinaus. Auf der Straße verlachen die Kinder den "langen Lulatsch". Albert reagiert zunehmend aggressiver: Er treibt die Ferkel zum Waschen in den Bach und damit in den Tod, stiehlt Hasen und stellt den Mädchen nach - Verweigerungsgesten von erstaunlicher Logik und Konsequenz, auch wenn seine Handlungen irrational erscheinen. Denn Albert macht nun den "Narren", den "Dorfdeppen", für den man ihn hält. Er erfüllt nur die Erwartungen. Seine Rebellion wird immer verzweifelter. Als er eines Tages die einzige Frau, bei der er Verständnis und eine Art Zärtlichkeit gefunden hat, mit einem überrascht, verliert er den letzten Halt...

  

Beklemmende Authentizität

Mit seinem Abschlussfilm an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film feierte der junge Filmemacher Rödl Einstand in der bundesdeutschen Kinoszene. Die Uraufführung seines Spielfilmdebüts bei den "Internationalen Hofer Filmtagen" 1978 war die Sensation des Festivals, Rödl "die deutsche Filmentdeckung des Jahres". Die Geschichte um den Außenseiter Albert beruht auf Beobachtungen Rödls. Mit dem Hauptdarsteller Fritz Binner ist er zur Schule gegangen. Er hat seinen Werdegang und Leidensweg miterlebt. Gedreht hat er in seinem Heimatdorf Darshofen, mit den Bürgern dieser Gemeinde. Doch die Authentizität des Films beschränkt sich nicht auf den Realismus in der Darstellung der Personen und des bäuerlichen Milieus. Sie geht viel tiefer: Die bewusst eingesetzte Schwarz-weiß-Kamera, die Bilder von großer Suggestionskraft und Schönheit einfängt, verleiht dem Film eine große innere Wahrhaftigkeit und eine merkwürdige Poesie. Sie geben dem verlachten Albert Würde, ja archaische Größe. Rödl schildert hier ein Einzelschicksal und variiert gleichzeitig ein Thema, das in Literatur und Film eine lange Tradition hat: Die Vernichtung eines anomalen Außenseiters durch eine von "Normalen" bestimmte Gesellschaft. Frankenstein (Fritz Binner erinnert in Gestalt und Gestik stark an den Frankenstein-Darsteller Boris Karloff), Kaspar Hauser, Lennie in John Steinbecks Werk "Von Mäusen und Menschen", Robert Bressons Mädchengestalt "Mouchette" - sie sind Verwandte von Albert.

 

(Quelle: Broschüre ARD Fernsehspiel, Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrep. Deutschland, Ausgabe Okt., Nov., Dez. 1984)    

        

 

  

Josef Rödl über seinen Film:

Der Zusammenhang von Realität und Fiktion ist offensichtlich. Albert hat in seinem realen Leben als Fritz Binner diese Situation eingenommen, nur in einzelnen Details hat sein Leben anders ausgesehen. Ich wollte anhand einer Person zeigen, wie die Normen des Zusammenlebens einer solchen Gemeinschaft funktionieren. Jemand, der schwach ist und sich nicht wehren kann, verspürt diese Normen besonders stark.

Ganz allgemein kann man sagen, dass eine Gemeinschaft immer einen 'Buhmann' braucht, der eine Alibifunktion für die Schwachen dieser Gemeinschaft einnimmt. Übertragen auf eine kleine Gemeinschaft bedeutet dies, einen Menschen zu nehmen, an dem sie ihre eigenen Aggressionen, ihre eigene Unfähigkeit, mit etwas Fremdem umzugehen, einfach ausleben kann.

Die Darstellung vom Wesen und Funktionieren dieser dörflichen Gemeinschaft - das ist der politische Gehalt dieses Filmes. Albert ist so eine politische Figur.

Alle Mitglieder unseres kleinen Teams stammen aus dieser Gemeinschaft. Wir waren keine Fremdkörper, sondern ein Teil dieser Gemeinschaft... Wir funktionieren nur als eine Art Konzentrationsmoment, als ein Team, das etwas in Bewegung setzt, wo die anderen dazugezogen werden und sich dieser Konzentrationsmoment erweitert, größere Kreise zieht und allmählich dieses ganze Dorf miteinbezogen wird und eben auch Albert als Teil dieser Gemeinschaft einbezogen wird, wobei sich die Arbeitsweise auf ihn sehr konzentrieren musste, weil er aus einer besonderen Situation heraus bei sich nicht so die Kraft hatte wie jemand anderes, so lange Zeit konsequent zu arbeiten. Es gab Tage, wo es für ihn rein körperlich nicht möglich war zu arbeiten; andererseits brachte er eine Begeisterung, einen Arbeitseifer und auch eine Kraft in die Arbeit mit hinein, die man im Film feststellen kann. Er entfaltete eine schauspielerische Leistung, die ihm niemand zugetraut hat, auch ich nicht anfangs in dem Maße.

Man hat Albert später nachsynchronisieren müssen. Es ist kein Originalton von ihm mehr da. Wir haben sehr viel daran arbeiten müssen. Es ist aus den Produktionsbedingungen heraus eigentlich eine unzumutbare Arbeit gewesen, die wahnsinnig aufreibend war. Ich habe den Originalton auf Kassette aufgenommen, am Drehort wieder abgespielt und wir haben Satzteil für Satzteil nachsprechend lassen. Mir war es selber sehr unangenehm, nachsynchronisieren zu müssen, aber gewisse Teile mussten einfach gedreht werden, obwohl nebendran Bauarbeiter waren, was ich nicht abstellen konnte. Ich hatte mit ihm vereinbart, dass wir, wenn der Schnitt fertig ist, diese Teile nachsynchronisieren. Da er dann gestorben ist, war dies nicht mehr möglich. Der Film hat dadurch etwas wesentliches verloren, weil seine Stimme einfach zu diesem Menschen gehört."

 

(Auszüge aus "Kino Kino - Bundesdeutsches Filme auf der Leinwand" 1979/80, herausg. von R. Fischer, Verlag Monika Nüchtern, München, 1979 und Broschüre

"ARD Fernsehspiel", Herausg.: Arbeitsgem. der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland, Ausgabe Oktober, November, Dezember 1984)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Layout: Rosemarie Kuheim

Bearbeitet: 10. Dezember 2020

  

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