Die Story

1976

 

Filmliste Dieter Lemmel

 

  

  

Regie

Dieter Lemmel

Drehbuch

Eva Mieke

Vorlage

-

Produktion

ZDF

Kamera

Willy Jamm

Schnitt

Gertrud Dreyer

FSK

-

Länge

-

Filmbeschreibung

Mein Film-Tipp, aber schwere Kost!

Auszeichnung

-

FBW-Bewertung

-

Ur-/Erstaufführung

2. Febr. 1976 ZDF, 21:15 Uhr

Genre

Drama, Tragödie

      

     

        

Darsteller Rolle
Cornelia Froboess Gabriele
Hans Peter Korff Johannes
Wolf Dietrich Sprenger Journalist

  

                  

Inhalt  

 

Die Drehbuchautorin Eva Mieke zu ihrem Film:

 

In einer Illustrierten las ich einen Bericht. Es ist jetzt Jahre her. Ein englisches Fernsehteam hatte sich aufgemacht - mit Tonband und Kamera -,  um Menschen zu interviewen und zu filmen, die an einer unheilbaren Krankheit litten und die wussten, dass sie in absehbarer Zeit sterben würden. Alle Interviewten waren Menschen, die sich mit großer Gelassenheit auf ihren Tod vorbereiteten, die - scheinbar kathartisch geläutert - mit geschärfter Sensibilität und überwachen Sinnen die letzten Tage und Stunden ihres Erdendaseins zu genießen vermochten: beneidenswert beinahe.

Ich erinnerte mich an das Todesjahr meiner Mutter. Schon zu Beginn des Winters hatte ich gewusst, dass sie den nächsten Herbst nicht mehr erleben würde. Damals beschloss ich, meiner Mutter die Endgültigkeit ihres Zustandes zu verheimlichen. Ich hielt durch. Erst in den letzten Wochen der Krankheit ahnte sie wohl, dass ihr Leben zu Ende ging. Gesprochen wurde nie darüber.

Hatte ich ihr etwas vorenthalten? Hatte ich ihr, im Bündnis mit den Medizinern, die Möglichkeit genommen, sich bewusst auf ihr Sterben einzulassen? - Die Antwort weiß ich heute noch nicht.

 

Die Geschichte von Johannes und Gabriele entwirft ein Gegenmodell. Johannes (35) ist krank, und Gabriele, die viele Jahre mit ihm zusammenlebt hat - in einer offenen Beziehung, in der die Konflikte ausgetragen wurden -, sagt Johannes die Wahrheit. Sie sagt ihm, dass er an seiner Krankheit sterben wird. Um ihre ungebrochene Zuneigung zu beweisen, heiratet Gabriele Johannes. Kurz nach der Hochzeit, in einer Phase euphorischer Gemeinsamkeit, geben Johannes und Gabriele in einem Ferienort einem Journalisten und seinem Team ein Interview.

Auf dem Monitor sind sie ein starkes Paar. Sie glauben, kraft ihrer Liebe der Krankheit Paroli bieten zu können. Bis zum letzten Augenblick wollen sie die ihnen verbleibende Zeit nutzen, sie wollen sich ohne überflüssige Trauer und Sentimentalität aneinander freuen, sie wollen noch ein Kind zeugen. Als sie nach Hause kommen, versuchen sie - nach außen hin -, weiter so zu leben, wie sie immer gelebt haben. Gabriele, Lehrerin im Angestelltenverhältnis, geht wieder zur Schule. Sie lädt Freunde und Kollegen ein und sie bemüht sich, jede freie Minute mit Johannes zusammen zu sein. 

Aber die Dinge entwickeln sich anders: Die Außenwelt reagiert auf den kranken Johannes mit wachsender Distanzierung. Keiner der ehemaligen Kollegen - auch Johannes war Lehrer - ist imstande, sein Mitgefühl umzusetzen in Mittragen. Auch Gabriele bekommt dieses Unvermögen ihrer Umwelt zu spüren. Johannes und Gabriele beginnen sich zurückzuziehen. - Eines Tages wird Johannes von einem Journalisten aufgespürt. Gustl Fechner hat das Fernsehinterview gesehen, und nun möchte er für seine Zeitung eine Story über Gabriele und den zum Tode kranken Johannes machen. Johannes wimmelt den Journalisten ab. Er kann dessen professionelle Neugier nicht ertragen. Mehr und mehr flüchtet er sich in die Isolation. Zum physischen Verfall tritt die psychische Veränderung.

 

Johannes erfährt, dass der Journalist Fechner auch zu Gabriele Kontakt aufgenommen hat. Um Johannes zu schonen, hatte Gabriele ihm die Unterredung mit dem Journalisten verheimlichen wollen. Von nun an beobachtet Johannes Gabrieles Verhalten mit eskalierendem Misstrauen. Er belauert, soweit sein körperlicher Zustand es noch zulässt, jeden ihrer Schritte. Er quält sie mit Argwohn und Eifersucht, die sich schließlich auf alles erstrecken, was Gabriele mit dem Leben verbindet. Auf Drängen ihres Mannes gibt Gabriele die Schule auf. Auch sie ist nun ohne Kontakt zur Außenwelt. Aufeinander geworfen, erleben Johannes und Gabriele, wie das Krebsgeschwür Isolation auf ihre Beziehung übergreift, ihre Zuneigung zerstört, sie zu zwei für sich und den anderen fremden Wesen macht.

Als Johannes endlich stirbt - nicht an der Krankheit, sondern an einer Lungenentzündung, die er sich holt, als er seiner Frau nachspioniert -, hat Gabriele seinen Tod längst herbeigesehnt.

 

Von einer Umwelt, die nur noch ein deformiertes, unnatürliches Verhältnis zu Krankheit und Tod hat, alleingelassen, konnten sie die ihnen auferlegte Prüfung nicht bestehen. Symptomatisch ist, dass das einzig wirkliche Interesse an der komplizierten Problematik von Johannes und Gabriele ein rein professionelles war. Es kam aus einer Fernsehredaktion, die von dem Phänomen "Mit der Krankheit zu Tode leben" fasziniert war, und von einem Zeitungsjournalisten, der eine verkaufsträchtige Story witterte.

 

  

 

Der Regisseur Dieter Lemmel zum Film:

 

Die Story seines Lebens erhofft sich der Journalist Gustl Fechner vom "Fall" Gabriele und Johannes Michaelis. In der berechtigten Annahme, die beiden wären bereit, ihre Lebensgeschichte auch an die Presse zu verkaufen, fühlt er sich von beiden zugleich angezogen und abgestoßen. Hin- und hergerissen zwischen persönlicher Anteilnahme und beruflich geforderter Skrupellosigkeit gerät Fechner in eine schizophrene Situation, an der er schließlich scheitert: Aus der Story wird nichts.

Ungewollt wird Fechner für Johannes und Gabriele in immer stärkerem Maße zum Störelement einer Beziehung, deren Existenzfähigkeit grundsätzlich in Frage gestellt ist. Die Persönlichkeitsveränderung des kranken Partners führt dazu, dass zwei liebende Menschen sich erst hilflos und am Ende vollkommen fremd gegenüberstehen. Für Johannes verändert sich alles: seine Einstellung zur Umwelt, zu seiner Frau, zu sich selbst. Je mehr Johannes einsehen muss, dass er keine Zukunft mehr hat, um so mehr entgleitet ihm seine Partnerin. So steht er in ständiger Abwehr zur Außenwelt, die sich ihm als Störfaktor seiner Ehe darstellt, und versucht, die dem Leben zugewandte Gabriele mit in die Isolation zu reißen. Sein Wunschtraum ist die einsame Insel in der Karibischen See.

 

In krassem Gegensatz dazu steht Gabrieles optimistische Lebenseinstellung. Sie, die Gesunde, kann zwar verstehen, was der Todkranke empfindet, sie kann dies jedoch nicht nachvollziehen. Sie kann nicht mehr dagegen an, Mitleid für ihn zu empfinden und ihn nur noch als Kranken zu sehen, den sie pflegen muss. Der ständige Terror, den er ungewollt auf sie ausübt, führt zu ihrem vollkommenen psychischen und physischen Zusammenbruch. Gabriele flieht aus der gemeinsamen Wohnung. Die entscheidende Veränderung einer aus falschen Voraussetzungen entstandenen Liebesbeziehung ist zugleich ihr Tod.

 

Damit behandelt der Film ein generelles Problem von Beziehungen überhaupt: Die Krankheit des Johannes muss nicht Krebs sein: sie ist übertragbar auf jede andere Form von Krankheit, sie ist damit auch Synonym für physische ebenso wie psychische Prozesse. Es ist ein Film über die Angst, ob vor dem Tod oder vor dem Ende einer Beziehung ist austauschbar, die, von einem Partner in die Beziehung eingebracht, zugleich ihr Ende, das Ende jeder Bindung bedeuten kann.

 

(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Information und Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Heft 11, Dezember 1975 - Februar 1976)

 

 

  

  

  

  
  

 

 

  

   

   

   

   

   

   

    

   

   

  

Layout: Rosemarie Kuheim

Bearbeitet: 28. November 2020

  

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